Das ist der Thermal Club in Kalifornien

Es gibt Momente, da muss man nicht lange überlegen. Als Michelin anfragte, ob wir denn Zeit und Lust hätten, den Michelin Pilot Sport 4 S in den USA zu testen, war das wieder so ein Moment. Klare Sache: Natürlich konnten wir. Zumal wir die ziemlich einzigartige Möglichkeit erhalten sollten, auf den Rennstrecken des exklusiven „Thermal Club“ in Kalifornien fahren zu dürfen.

Warum die Franzosen die amerikanische Westküste europäischen Gefilden vorzogen, ist klar: Schließlich herrscht in Südkalifornien auch in den Wintermonaten ziemlich sicher ein deutlich besseres Klima als in Mitteleuropa. Außerdem ist der neue Reifen für Sportwagen und leistungsstarke Limousinen konzipiert – da muss das Testumfeld einfach passen. Und da ist Kalifornien einfach der bessere Ort als zum Beispiel Karlsruhe, wo Michelin Deutschland seinen Sitz hat.

In den USA zeigte sich: In Bezug auf das Wetter hatte sich Michelin geschnitten! Denn in Los Angeles passierte das Unglaubliche: Es regnete. Doch alles halb so wild: Pünktlich zum eigentlichen Event klarte das Wetter auf. Per Shuttle ging es von Los Angeles Richtung Osten. Auf dem Gelände des Thermal Club sollte der große Reifentest stattfinden. Und was uns etwas nördlich der Grenze zu Mexiko erwartete, war einfach der Hammer.

Der Thermal Club ist ein exklusiver Club für gut betuchte Sportfahrer: Auf rund 140 Hektar Land pflanzte der Tankstellen-Magnat Tim Rogers für die Kleinigkeit von mindestens 125 Millionen US-Dollar drei Rennstrecken, diverse Fahrdynamik-Flächen und ein paar Villen für Hobby-Rennfahrer. K­­ann man mal machen. Der Thermal Club ist also sehr gut mit dem Ascari Race Resort in Spanien zu vergleichen und schlicht ein Traum für jeden, der sich für Sportwagen und Rennstrecken auch nur halbwegs erwärmen kann. Der Rennstrecken-Architekt Alan Wilson designte drei Rennstrecken („Desert Circuit“, „North Palm Circuit“ und „South Palm Circuit“), die zu einer großen Strecke miteinander kombiniert werden können. Alle Tracks verfügen über eine eigene Boxenanlage.

Neben einer Schar an Journalisten und Bloggern hatte Michelin auch die „Grip“-Moderatoren Cyndie Allemann, Matthias Malmedie und Helge Thomsen geladen. Außerdem ließ es sich der durchaus Sportwagen-affine Ex-Fußball-Profi und Social-Media-Star Hans Sarpei nicht nehmen, auch aufzukreuzen.

Für mich sollte der Test zu einer Art Waterloo werden. Denn der Tag zerstörte meinen bis dahin wohl gehüteten Irrglauben, Autofahren zu können. Ich hatte schließlich die Ehre, zusammen mit Rennfahrerin und TV-Moderatorin Cyndie Allemann auf den „North Palm Circuit“ zu gehen. Die Eckdaten: 1,9 Kilometer Länge, 10 Kurven.

Wir nahmen in zwei F82 BMW M4 Platz, selbstverständlich Michelin Pilot Sport 4 S bereift. Der 3-Liter-Reihen-Sechszylinder stemmt bei einer Leistung von 431 PS bärige 550 Nm Drehmoment auf die Hinterachse. Das ist schon eine andere Liga als der Trackdaysport Toyota GT86.

Doch anstatt sich bei einer Open Pitlane auszutoben, standen geführte Runden an. Vorne gab also ein Instruktor Gas – soweit ich es in der Vorstellung recht verstanden hatte, ein US-Rennfahrer, klar. Hinter mir startete Cyndie – und rückte mir bereits nach wenigen hundert Metern schon ordentlich auf den Pelz.

Der Kurs ist dabei nicht ohne Tücken: Nach der Start-Ziel-Geraden folgte ein leichter Linksknick, der kurz darauf in eine enge Rechtskurve mündete. Die Herausforderung lag also darin, auf der Geraden möglichst schnell zu fahren und kurz vor der Rechts den richtigen Bremspunkt möglichst ohne allzu viel Querbeschleunigung zu treffen. Keine leichte Aufgabe, wenn der Linksknick fast direkt in die Rechtskurve übergeht.

Direkt danach: Die charakteristische, lange und außerordentlich schnelle Links. Hier spürte man, wie viel Grip der Michelin Pilot Sport 4 S aufzubauen im Stande ist.

Nach einer kurzen Vollgas-Passage folgte auf dem „North Palm Circuit“ ein technisch anspruchsvolles Kurvengeschlängel. Wie ich mich geschlagen habe? Sagen wir so: Während mir der Instruktor von vorne desöfteren mit Nachdruck empfahl, mehr Gas zu geben, erschien hinter mir Cyndie immer wieder formatfüllend im Seitenspiegel.

Schweißgebadet um von Cyndie Allemann um eine Illusion beraubt, stieg ich aus dem 431 PS starken Geschoss. Ein spitzen Erlebnis, auf dieser so exklusiven Strecke fahren zu dürfen!

Im Anschluss ließen wir den Tag im angrenzenden Joshua-Tree-Nationalpark ausklingen. Mit verschiedenen Sportwagen ging es auf fein asphaltierte Straßen durch die Wüstenlandschaft im Südosten Kaliforniens, die den Übergang zwischen der Mojave-Wüste und der Colorado-Wüste bildet. Das Geniale – und in Deutschland nicht ansatzweise vorstellbar: Unsere überaus PS-starke, und selbstverständlich Michelin-Pilot-Sport-4-S-bereifte Kolonne, wurde von einem US-Cop angeführt, der nicht nur ein ziemlich zügiges Tempo vorlegte, sondern für uns die in den USA ziemlich engen Tempolimits ganz offiziell außer Kraft setzte.

Kleine Notiz am Rande: In der Wüste schneite es, zum ersten Mal nach mehr als 100 Jahren. Vielleicht das nächste Mal doch wieder nach Karlsruhe?

[Bilder: Meg McCarthy, Michelin, Moritz Nolte]